Aus der Geschichte

 

der

 

St. Sebastiani Schützenbruderschaft

in Eschweiler

( aus der Festschrift des Jahres 1905 und der Jubelfeier

zum 575 jährigen Bestehen )

 

Ursprung der Schützenbruderschaften,

 

Die Schützengesellschaften bestanden in Deutschland schon allgemein im 13. bis 14. Jahrhundert, also vor der Erfindung des Schießpulvers. Im Mittelalter gab es keine stehenden Heere wie jetzt; da hatten die Landesobrigkeiten noch keine besoldeten Krieger, die Verteidigung von Haus und Hof fiel dem Bürger zu. Hierbei war der Bogen und die Armbrust, wie wir diese ursprüngliche Waffe bis auf unsere Tage als Nachspiel in den Händen der heranwachsenden Jugend erblicken, von hervorragender Bedeutung, namentlich bei einer Belagerung, indem durch gut gezielte Bogenschüsse von den Mauern herab dem heranrückenden Feinde beträchtlichen Schaden zugefügt werden konnte. Um nun die nötige Gewandtheit in der Handhabung dieser Waffen zu erlangen, hielten die wehrpflichtigen Stadtbewohner gemeinsame Schießübungen ab. Aus diesen Übungen der wehrpflichtigen Schützen entstanden bei dem genossenschaftlichen Geist, der das ganze Mittelalter durchdrang und diejenigen zu einem ganzen Verband, welche gleiches Streben beseelte, sodann aber aus dem im Bürgerstand allgemein erwachenden Bewusstsein, das er zu Schutz und Trutz gegen seine Feinde gerüstet sein, das er auch mit den Waffen bereit und schlagfertig dastehen müsse, um gegen fremde Eindringlinge sich verteidigen zu können, besondere Schützengesellschaften. Diese mussten notwendig bald zur vollen Entfaltung gelangen, nachdem in Ihnen, wie bei allen derartigen Verbindungen des Mittelalters, neben dem militärisch – sozialen auch alsbald ein religiöses Element zum Durchbruch kam.

Ungefähr seit der Mitte des 14. Jahrhunderts und vorzüglich im Laufe des folgenden traten die Schützengesellschaften als äußerlich abgeschlossene, im Innern organisch geordnete Körperschaften hervor, welche übrigens, ungeachtet des teilweise kirchlichen Charakters, ihren uranfänglichen kriegerischen Beruf fortwährend treu, somit stadtbürgerliche Wehrverbände blieben und daher, wenn es galt, die Heimatstadt vor feindlichen Angriffen zu schirmen, jederzeit ohne Sold, höchstens durch gewisse Erleichterungen bezüglich der Gemeindelasten entschädigt, zur Übernahme der nötigen Wacht – Verteidigungsdienste sich bereit finden ließen. Und so begegnen uns denn auch um die angegebene Zeit in jedem bedeutenderen Orte eine oder mehrere Schützengilden, die bald zu hervorragender Bedeutung gelangten, von dem Landesherrn und den Ortsobrigkeiten mit Gunstbezeugungen bedacht und mit Vorrechten ausgestattet wurden.

Wie schon angedeutet, konnte es bei dem Geiste der damaligen Zeit nicht fehlen, das die Schützenvereinigungen alsbald einen kirchlichen Charakter annahmen. Unsere Vorfahren waren nämlich so tief religiös, dass es ein Bedürfnis für Sie war, auch dem rein Weltlichen eine religiöse Weihe zu geben. Vereine für Dieses und Jenes ohne Zusammenhang mit der Kirche, ohne Weihe durch die Religion, kannte man damals nicht; sogar die Tanzlustbarkeiten an den Kirchweihtagen wurden geheiligt, indem die jungen Leute als geschlossene Gesellschaft an diesen Tagen feierlich den Gottesdienst beiwohnten, ja ganz eigens einen solchen für sich halten ließen. Jede Kunst, jede Wissenschaft, jedes Gewerbe stellte sich insbesondere unter die schützende Fürbitte eines Heiligen, so die Maler die des hl. Lukas, die Rechtsgelehrten unter die des hl. Ivo, die Schuster verehrten insbesondere den hl. Crispinus usw.

So gab es denn auch vormals keine bloßen Schützenvereine, sondern nur Schützenbruderschaften, d.h. die Schützereien bildeten sich zugleich zu einer kirchlichen Verbrüderung, stellten sich unter das Patronat eines Heiligen und hatten ihren eigenen kirchlichen Gottesdienst. Und dieser Schutzheilige war allgemein der hl. Sebastianus. Wie hätte man auch einen geeigneteren finden können ? Ein tapferer Krieger im römischen Heere, Befehlshaber der Leibwache des Kaisers Diokletian, war er nicht minder tapfer im Bekenntnisse des christlichen Glaubens. Als er, trotz aller Verlockungen und Drohungen, Christum, seinen Herrn und Heiland, nicht verleugnen wollte, wurde er den Bogenschützen übergeben, unter deren Pfeilen er seine tapfere Seele aushauchte – etwa um das Jahr 290 nach Christus.

 

Ursprung der St. Sebastiani – Schützenbruderschaft in Eschweiler

 

Wie in vielen anderen Ortschaften, so war auch in Eschweiler der heilige Sebstianus seit den frühesten Zeitender Patron der Schützengesellschaft und ist es geblieben bis heute. Die St. Sebastiani – Bruderschaft steht im engem Zusammenhange mit dem sog. Frühmeß-Altar in der Eschweiler Pfarrkirche. Dieser Altar, welcher heute oben im Seitenschiff an der Marktseite sich befindet, stand früher am obersten rechten Pfeiler in der Pfarrkirche; er war geweiht auf die Heiligen Sebastianus, Rochus und Antonius, hieß aber vorzugsweise der St. Sebastianus –Altar. An diesem Altare hafteten denn auch die Stiftungen der Bruderschaft, die sogenannten Kirchenrenten, aus welchen Sie ein Jährliches seitens der Kirche bezog. Der Frühmesser war gleichsam der Vize-Pastor der Bruderschaft und er war es, der alljährlich am St. Sebastianustag Messe und Predigt für die Bruderschaft hielt. An diesem Altare, der im Jahre 1823 bei der Instandsetzung der Kirche an seine jetzige Stelle gebracht wurde, wurde früher am zweiten Schützenfesttage ( Pfingstdienstag ) ein feierliches Seelenamt zelebriert für die verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft.

Die Stiftung des Frühmeß - Altars reicht weit in die Jahrhunderte hinauf, demnach also auch der Ursprung der St. Sebastiani - Bruderschaft. Leider sind alle älteren schriftlichen Denkmale sowohl über die Kirche als auch über kirchliche Stiftungen durch den vermittelst des Bombardements der Franzosen verursachten Brand im Jahre 1678 verloren gegangen. So auch die über den Frühmeß – Altar und die damit verbundenen Stiftungen der St. Sebastiani – Bruderschaft.

Die nahe Beziehung, in der die St. Sebastiani – Bruderschaft zu den Benefizium des Frühmeß – Altars stand, aus welchem Grunde auch der heilige Seabstianus der Hauptpatron deselben ist, lässt vermuten, dass von dieser Seite, wenn nicht die Stiftung selber, so doch die Anregung dazu ausgegangen ist. Indessen lässt sich aus dem Altar des Benefiziums kein Schluß ziehen auf das Alter der Bruderschaft. Diese konnte bestehen ohne jenes, ja sie musste in der Tat bereits bestanden haben, wenn sie bei der Errichtung des Benefiziums mitwirkten, namentlich die Aufnahme des Schutzpatrons der Bruderschaft unter die Zahl der Schutzheiligen des Altars veranlassen sollte.

Eine alte Nachricht über das Benefizium findet sich in einem „ Extractus aus Thro Churf. Durchl. Jülich – und Berg – Geheimbraths Registratur Nr. 1559“, wonach die St. Sebastiani – Bruderschaft die Kosten für die Beleuchtung des Altars zu tragen hatte.

Ein späterer Primissarius ( G.M. Bündtgens ) wandte sich an das Herzogliche Landes Archiv mit der Bitte, ihm Abschrift zu geben der dort aufbewahrten Notizen über die Frühmeß – Stiftung. Diese Notizen befinden sich noch jetzt im hiesigen Kirchen – Archiv. Eine derselben ist vom Jahre 1559 und führt als Einkommen der Bruderschaft an: 3 Walter 1 Kümmer Roggen, 1 Walter Hafer, 3 Pfund Wachs und 3 Stüber an Geld. Darauf werden einige, ohne Zweifel von den Stiftern angeordnete Jahrmessen aufgezählt, die dafür zu halten sind, namentlich für Agnes von Ransfeld mit vier Priestern. Dann heißt es weiter:“ Item wird St. Ant. und Sebastiani Altar durch das ganze Jahr aus diesen Bruderschafts - Renten beleuchtet …

Und was übrig bleibt, ist ein alt Herkommen, dass man damit die Kirch in Nothbauung erhält, und kommt das den Kirchen – Renten zu statten.“

Die Einkünfte des Frühmeß – Altars wurden später durch eine Reihe kleinerer Stiftungen vermehrt, jedoch sind diese bald nachher wieder verloren gegangen, höchstwahrscheinlich zur Zeit der Säkularisation.

Eine fernere ältere Nachricht vom Jahre 1585 ruht ebenfalls im Eschweiler

Pfarrarchiv. Damals begleiteten die Schützen der St. Sebastiani – Bruderschaft die Prozession am Fronleichnamstag und erhielten nachher aus Kirchenmitteln 2 Tonnen Bier. Diese sind in der Kirchenrechnung des genannten Jahres als verausgabt aufgeführt und ist dies motiviert durch den Zusatz: „ Gemäß altem Herkommen.“ Auch später, so in den Jahren 1621 und 1625, findet sich diese Ausgabe: „ Auf unsern Prozessionstag, so Gottestracht -Tag ist, den Schützen, so mit der Prozession umbgegangen, vermög dem alten Herkommen gethan 2 Tonnen Bier.“

Wenn im Jahre 1585 bereits von einem „alten Herkommen“ die Rede ist, so darf man gewiß annehmen, dass dieser Gebrauch wenigstens ein ganzes Jahrhundert weiter, also bis in das 15. Jahrhundert zurückreicht. Es ist also offenbar, dass die Bruderschaft nicht nur bestand im Jahre 1559, sondern damals auch schon ziemliche Renten und Stiftungen hatte. Die heutige alte Fahne der St. Sebastiani – Bruderschaft hat die Jahreszahl 1330 als Gründungsjahr aufgestickt, diese Zahl scheint wohl durch mündliche Überlieferung als Gründungsjahr zu gelten. Ohne Zweifel reicht die Bruderschaft tief ins Mittelalter hinein und ist es wohl ebenso wenig einem Zweifel unterworfen, dass Sie seit vielen Jahrhunderten die eigentliche Bürgerwehr des mit Ringmauern befestigten Marktfleckens Eschweiler bildete und sich wohl auch schon im Laufe der Zeit um denselben verdient gemacht hat. Gewiß war Sie nicht umsonst vom Landesherrn mit Privilegien versehen. Aus der Zeit des vorigen, eben verflossenen Jahrhunderts, aus dem Sturmjahr 1848 existiert ein „Statut der Bürgerwehr der Stadt Eschweiler „, wobei die St. Sebastiani – Bruderschaft ein besonderes Korps stellte mit einem Major als Führer. Das Statut ist unterzeichnet unterm 15. April 1848 von folgenden: Der Bürgermeister, Quadflieg. Der Obrist, Günzer. Koch, Major des 1. Bataillons. Kranz, Major des 2. Bataillons. Dahmen, Major des Schützenkorps. Der Zweck der Bürgergarde war, die Person und das Eigentum der in der Bürgermeisterei Eschweiler wohnenden Bürger zu schützen und Angriffe auf dieselben zu verhindern.

Wie überall, so musste auch in Eschweiler die Bruderschaft an Bedeutung abnehmen, je mehr die Kriegskunst sich erweiterte und die stehenden Heere sich ausbildeten. Die Ungunst der Zeitverhältnisse trug auch zum Verfall der Bruderschaft bei. Im Jahre 1756 wurden von den Mitgliedern der Gesellschaft neue Statuten entworfen, die auch sofort die nachgesuchte kurfürstliche Genehmigung fanden. Da in ihnen ohne Zweifel die alten Überlieferungen der Bruderschaft niedergelegt sind, besonders aber die Bestimmungen über deren Pflichten, Rechte und Freiheiten, so seien dieselben veröffentlicht (vergleiche alte Satzungen ).

An den meisten Orten wurden von den Schützengesellschaften, die unter dem Patronat des hl. Sebastianus standen, der Gedenktag des hl. Sebastianus als der Gesellschaft Patronatstag angesehen und demgemäß festlich begangen, wobei natürlich mit der religiösen Feier die gesellige in engem Zusammenhang stand. In Eschweiler hielt an diesem Tage der Primissar Hochamt und Predigt für die Mitglieder der Bruderschaft und bezog dafür aus deren Einlagen ein Stipendium von einem Reichsthaler. Weiterhin fand an diesem Tage Rechnungsablage und die Wahl von den Schützenmeistern, Brudermeistern, einem Hauptmann und Fähnrich statt. Die beiden letzteren Ämter waren sehr gesucht und wurden gewöhnlich durch Geld angesteigert. Diese vorgenannten sowie der König waren das Organ der Gesamtheit. Ihnen lag die Leitung der Gesellschaft ob, Sie hatten deren Wohl zu beraten und Alles zu deren Besten zu lenken.

Um ihren eigentlichen Zweck erfüllen zu können, war den Schützen eine häufige Übung in der Handhabung des Bogens notwendig. Diese Übungen fanden Sonntags nach Beendigung der Messe statt. Sie begannen im allgemeinen mit dem ersten Sonntag nach Ostern und dauerten bis zum Sonntag vor St. Remigius (1. Oktober).

Neben den Schießübungen wurden gleich nach dem Aufkommen der Schützengilden in den größeren Städten Schützenfeste abgehalten, die, wie früher die Waffenspiele der Ritter, nunmehr die größten Volksfeste der Deutschen wurden. Auch Sie waren Waffenfeste, aber gefahrlos, weniger aufregend, um so behaglicher. Um die Schützen anzuspornen, ging bei diesen Festen das Bestreben dahin, nach allen Richtungen auszuzeichnen und so viele Schützen als möglich mit Preisen zu versehen, wozu Gold –oder Silbergeschirr, zuweilen mit Geldstücken gefüllt, Becher und Schalen in allen Formen und Größen, oft mit Zierlichkeit und dem Geschmack, welcher die Technik der Goldschmiede im 16. Jahrhundert auszeichnete, ausgeführt, gehörten.

     Auch die Schützengesellschaften kleinerer Städte ahmten diese Feste nach und so fand in Eschweiler regelmäßig am Pfingstsonntag der Vogelschuß statt und ist damit fortgefahren worden bis auf unsere Tage, vielleicht eine kurze Unterbrechung während der französischen Fremdherrschaft abgerechnet.

Diese Schießen am Pfingstsonntag hatte aber auch den Zweck, der Gesellschaft eine König zu geben. An dem Schießen nach dem Königsvogel musste jeder Schütze teilnehmen, es war also jedem aus der Bruderschaft möglich gemacht, die Königswürde zu erringen. Diese erlangte, wer den Vogel oder den letzten Teil desselben herrunterschoß. Sofort wurde ihm als äußeres Zeichen seiner Würde die silberne Königskette um den Hals gelegt, die er fortan an allen Fest –und Schießtagen tragen musste.

     Das Eschweiler Schützenkleinod ist aus Silber und besteht in Vogel und Kette; Freiherr Kaspar Maximilian von Bourscheidt hat zwei große Schilder, ein Brust- und ein Rückenschild, dazu geschenkt. Doch wird in Eschweiler nicht, wie an anderen Orten, um dieses Kleinod geschossen. Erst derjenige, welcher dreimal nacheinander den Vogel abschoß, erhielt dasselbe und musste die Bruderschaft es dann nach Artikel 7 der Satzungen mit 12 Kaiserstücken wieder einlöten. Der Wert dieser Summe Geldes wurde im Jahre 1772 auf 8 Reichstaler festgesetzt. Auch stiftete jeder König als Denkmünze ein silbernes Schildchen, das die Jahreszahl und seinen Namen trug. Im Jahre 1756 sind 42 alte Schildchen im Gewichte von 1 Pfund 22 Loth, das Loth zu einem Gulden verkauft worden, und hat man für das Geld eine neue Fahne angeschafft.

       Die tiefe Religiösität der Schützen und ihre Anhänglichkeit an die Kirche trat besonders bei dem Fronleichnamsfeste zu Tage. Dieses Fest, welches im 13. Jahrhundert in Lüttich und den benachbarten Bistümern, im 14. Jahrhundert durch Papst Clemens V. allgemein vorgeschrieben wurde, fand die freudige Aufnahme. Allerorts wetteiferten Obrigkeit und Zünfte miteinander, um die an diesem Tage ausziehende Prozession zu der schönsten und großartigsten zu gestalten. Und mit Recht; denn es tritt an keinem Tage des Jahres das innige Verwachsen des katholischen Glaubens mit dem Volkstum, die religiöse Weise, die dieser heitere Kultus auch der Freude verleiht, rührender und spürbarer hervor, als am Fronleichnamsfest. Die Begleitung der Fronleichnamsprozession gehörte immer zum besondern Ehrendienst der Schützengilden, die Teilnahme an derselben war überdies durch die Schützenordnungen vorgeschrieben. Die Eschweiler Schützen begleiteten mit ihren Waffen die Prozession, zu welcher ihr König durch die Gesellschaft abgeholt und in festlichem Zug zur Kirche geführt wurde, und bis heute noch ist diese schöne Sitte beibehalten: die Bruderschaft gibt am Gottestragtage dem König die Ehre, die ihm gebührt. Dazu kommt noch, was den Schützenbruderschaften von Alters her den Ursprung gab; Bürgertum, festes Zusammenhalten in Freud und Leid, wahrhafte Kraft zur Verteidigung der höchsten Güter im Kampfe für König und Vaterland.


erstellt: Helmut Olivier

 

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